Michael Mörth

Statement Michael Mörth

Mein Name ist Michael Mörth. Ich bin deutscher Jurist und Menschenrechtsverteidiger. Seit 1995 lebe und arbeite ich in Guatemala. Das ist ein Land, das an der Schwelle eines „failed State“ steht – wahrscheinlich hat es sie bereits übertreten. In Guatemala fusionieren die massive Repression von 36 Jahren Bürgerkrieg mit struktureller Korruption, Machtmissbrauch und Straflosigkeit. Das Land steht trotz Fortschritten in den letzten Jahren für strukturelle Straffreiheit. Die Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung während des Krieges, die Korruption heute und der Ausverkauf der Rohstoffe des Landes bedingen diese Straffreiheit, damit die Akteure ungestraft agieren können. Der Staat, der an all’ diesen Verbrechen beteiligt ist und war, versucht sie zu garantieren. Wie viele andere Kolleginnen und Kollegen arbeite ich daran, das zu verändern.

Seit vielen Jahren arbeite ich mit einem Kollegen als Anwalt zusammen; zuerst in Kriegsverbrecherprozessen, darunter auch der Prozess gegen den ehemaligen Diktator Efraín Ríos Montt, der sich im Jahr 2013 als erster ehemaliger Staatspräsident weltweit vor einem Gericht wegen Völkermordes verantworten musste. Später kamen auch andere Prozesse hinzu: In vielen werden Menschenrechtsverteidiger und führende Figuren der sozialen Bewegung systematisch kriminalisiert, wenn sie Widerstand gegen industrielle Großprojekte leisten, wie Gold- oder Nickelminen und Wasserkraftprojekte.

Guatemala wird von Eliten regiert und kontrolliert, die keinerlei Interesse am Gemeinwohl haben und über viele Jahrzehnte ein System geschaffen haben, das nur ihnen nutzt. Sie setzen eigenes Kapital ein, ziehen aber auch ausländische Investoren hinzu, denen dann wieder illegale Konzessionen erteilt werden.

Ab 201o haben wir mit anderen Kollegen und Kolleginnen daher das „Anwaltsbüro zur Verteidigung der Menschenrechte“ (Bufete Jurídico de Derechos Humanos“) aufgebaut, das seinen Sitz in Guatemala-Stadt hat. Wir versuchen unsere Prozesse so zu führen, dass durch sie die Bürgerrechte direkt gestärkt werden. Sie sollen aber auch auf strukturelle Missstände hingewiesen und Reformen provozieren. Wir nennen das „litigio estratégico“, also eine strategische Prozessführung, die über die Prozess-Strategie eines einzelnen Falles hinausgeht.

Politisch Dinge verändern zu wollen bedeutet, sich mit den oben genannten Eliten und ihren internationalen Verbündeten anzulegen. Wir wollen aber auch flexibel sein, um Verhandlungen und Dialoge zu begleiten, politische Inzidenz zu machen, technische Antworten zu finden auf politische Probleme und Anwälte und Richter auszubilden.

Bei den industriellen Großprojekte etwa geht es sehr häufig um solche, die das Land verwüsten und deswegen von der örtlichen Bevölkerung abgelehnt werden. Dahinter stehen in vielen Fällen US-amerikanische, kanadische oder europäische und russische Finanziers, die alles daran setzen, dass das System aus Korruption und Repressionunangetastet bleibt. Es bringt ihnen schließlich riesige Gewinne.

Unser „Bufete“ ist in vielen solcher Prozesse tätig und verteidigt gemeinsam mit anderen die Einheimischen und ihre Interessen. Damit haben wir uns logischerweise nicht nur Freunde gemacht. Ich habe im Land eine gewisse Bekanntheit erlangt, was mir eine Stimme gibt, die gehört wird. Zum anderen bin ich aber auch exponiert. Ich bin selbst wie auch viele Kollegen und Mandanten Opfer von Kriminalisierungsversuchen durch absurde und frei erfundene Strafanzeigen. Damit will man uns mundtot. Unser Büro erhält daher aktuell über Schutzmaßnahmen, welche die interamerikanische Kommission für Menschenrechte angeordnet hat, der Staat von Guatemala aber nicht wirklich durchführt.

Auch in Guatemala gibt es aufrechte Richter, Staatsanwälte, Beamte und Abgeordnete, die ein ehrliches Interesse daran haben, dass hier endlich rechtsstaatliche Prinzipien gelten. Wir arbeiten intensiv mit ihnen zusammen genauso wie mit prominenten Menschenrechtsverteidigern und internationalen Organisationen. Neben direkten, oft sehr sensiblen Informationen, die wir über unsere Mandanten bekommen, sind diese Kontakte eine wichtige Informationsquelle. Solche Funktionsträger wissen genau, wie ein korruptes System im Einzelnen funktioniert und wie illegale Absprachen getroffen werden. Diese Informationen sind oft existenziell für unsere Arbeit.

Die Kommunikation mit unseren Mandanten und Quellen läuft sehr oft digital ab. Zum einen existieren häufig Haftbefehle, die unseren Mandanten verbieten, uns zu besuchen und für direkte Gespräche aufzusuchen. Viele kommen aus kleinen Gemeinden von 500 oder 1000 Menschen, die gegen solche Großprojekte kämpfen –50 oder 60 von ihnen werden meist mit Haftbefehlen verfolgt und gesucht. Andererseits gibt es in Guatemala seit 2016 praktisch keine Post mehr, mit der Briefe oder Dokumente befördert werden könnten. Wir haben keine Alternative zu den elektronischen Medien.

Die Vertraulichkeit meiner Kommunikation ist daher von höchster Bedeutung. Wir arbeiten an hochsensiblen Fällen, in denen häufig mächtige Kräfte gegen uns agieren – sei es wegen wirtschaftlicher, politischer oder staatlicher Gründe. Unsere Arbeit kann Interessen ausländischen und auch öffentlichen Kapitals beeinträchtigen. Durch die politische Dimension könnten auch ausländische Geheimdienste jederzeit ein Interesse haben, meine Kommunikation auszuforschen und in globalen Netzwerken zu teilen. Dies gefährdet meine Sicherheit genauso wie die unserer Mandanten und Informanten – und kann damit auch den Kampf für Menschenrechte beschränken.