Richard Norton-Taylor

Statement Richard Norton-Taylor

Seit über 50 Jahren schreibe ich über die Aktivitäten der Inlands- und Auslandsgeheimdienste, insbesondere der britischen, aber auch von den Aktivitäten der Dienste anderer Länder in Europa und andernorts. In dieser Zeit hat die Fähigkeit dieser Dienste, Daten über Einzelpersonen zu sammeln, exponentiell zugenommen. Nationales und EU-Recht, das die Nutzung dieser Daten durch die Dienste zu kontrollieren versuchte, sowie Mechanismen zur Aufsicht über die Dienste haben nicht Schritt gehalten mit dem gewaltigen Zuwachs an Überwachungstechnologien, die ihnen zur Verfügung stehen. Angehörige der britischen Geheimdienste haben mir gesagt, dass allein ihre eigene Selbstdisziplin, Ehrlichkeit, Einstellung und Moral Schutz bieten.

Es gibt keine effektive, unabhängige Aufsicht von außen durch die Gerichte oder das Parlament. Man kann nicht wissen, welche Informationen Inlands- und Auslandsgeheimdienste von Einzelpersonen vorhalten.

Mir wurde von einem ehemaligen Offizier des britischen Security Service, bekannt unter dem Namen MI5, gesagt, dass der Dienst mindestens fünf Bände an Informationen über mich hat. Mir wurde ebenfalls gesagt, dass Angehörige der britischen Regierungsbehörden Informationen über mich an Offizielle anderer europäischer Länder weitergegeben haben.

Ich habe ausgiebig über die Aktivitäten der europäischen und der britischen Nachrichtendienste berichtet, eingeschlossen über die Hintergründe der falschen Informationen über Saddam Husseins Waffenprogramme vor der Invasion des Irak 2003. Der als „Curveball“ bekannte Agent, der an den BND berichtete, gab später Fehlverhalten zu in einem Interview mit meinem damaligen Arbeitgeber, dem Guardian.

Ich habe ebenfalls ausgiebig darüber berichtet, wie die US-Geheimdienste Informationen über Einzelpersonen mit britischen und anderen europäischen Diensten teilten. Edward Snowdens Enthüllungen zeigten wie umfassend dieser Informationsaustausch tatsächlich war. Unter den Themen, die ich als Journalist verfolgt habe, waren auch die Spannungen zwischen verschiedenen europäischen Nachrichtendiensten, insbesondere in Bezug auf die spezielle Beziehung zwischen Großbritannien und den USA. Enthüllungen über das „Echelon“-Netzwerk lösten ernste Debatten im Europäischen Parlament aus.

Ich glaube, dass die unregulierte Überwachung von Journalisten eine lähmende Wirkung hat und verantwortungsvolle Berichterstattung sowie die unabhängige Aufsicht über nationale Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste unterbindet. Das ist in einer Demokratie inakzeptabel, und zwar umso mehr als die Entwicklung ausspähender Technologien eine wachsende Gefahr für die Privatsphäre ist. Das existierende Recht bekommt solche Gefahren nicht in den Griff. Es droht nun, dass Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste vom Recht noch weitere Macht eingeräumt bekommen statt weniger.